Ich habe mich ja ziemlich schwer getan damit, mir den Auftritt von Tamara Funiciello bei Schawinski anzusehen. Ein paar Wochen nach der Ausstrahlung der Sendung habe ich’s dann doch gewagt. Und nun ja, eigentlich habe ich nicht viel Neues gelernt. Dass Schawinski ein Selbstdarsteller ist, der niemanden ausreden lässt, das wusste ich. Dass Tamara topsolid auftritt, das eigentlich auch. Doch diese Sendung machte mich echt wütend.Schawinski behauptete konsequent, mit dem Begriff «toxische Männlichkeit» direkt angegriffen zu werden und dass Männer somit generell als toxisch bezeichnet würden und anstatt zuzuhören, was denn die Definition des Begriffs ist, lenkte er ständig vom Thema ab und begab sich selber in die Opferrolle.

Doch was bedeutet denn «toxische Männlichkeit»? Damit wird nicht Männlichkeit an sich kritisiert. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Konzept, das gesellschaftlich fest verankert ist und bestimmte Eigenschaften, die traditionell mit Männlichkeit assoziiert werden (z.B. Dominanz, Härte und Zielstrebigkeit), beschreibt. Dass Männer* stark zu sein haben und keine Gefühle zeigen sollen, wird Jungen* schon sehr früh eingetrichtert. Dies führt dazu, dass oftmals Emotionen angestaut werden und das Aggressionspotenzial zunimmt. Die jährliche Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*» hat sich im vergangenen Dezember genau mit solchen Fragen zu Männlichkeitsvorstellungen befasst. Denn die gesellschaftlich verankerten Männlichkeitsvorstellungen lassen sich verändern, wenn wir die Diskussion mitprägen. Sie lassen sich verändern, wenn wir gemeinsam für #mehrmännlichkeiten einstehen.

Um wahre Freiheit zu erlangen, braucht es einen Bruch mit den veralteten Rollenbildern. Das ist nicht einfach – denn Geschlechterrollen sind gesellschaftlich verankert. Wir haben sie als gegeben aufgenommen und nutzen sie als Massstab, um unser eigenes Verhalten zu beurteilen. Um diese Rollen «rollen» zu lassen, müssen wir früh anfangen: nämlich bei bei der Erziehung. Wir müssen es wagen, Kinder geschlechtsneutral zu erziehen. Dabei geht es nicht darum, aus einem Mädchen* einen Jungen* und aus einem Jungen* ein Mädchen* zu machen. Vielmehr geht es darum, Kindern schon früh aufzuzeigen, dass die Gesellschaft vielfältig ist und dass sie ihre Interessen vertiefen und Vorlieben leben können – unabhängig von ihrem Geschlecht. Denn dass kaum Geschlechterunterschiede im Gehirn bestehen, das ist mittlerweile psychologisch längst anerkannt. Unterschiede in der menschlichen Psyche entstehen denn auch vor allem durch soziale Wahrnehmung und geschlechtliche Erfahrungen, und nicht durch Biologie. Die Menschen lassen sich also nicht einfach in zwei Kategorien einteilen, ganz so einfach ist die Welt nicht.

In verschiedenen Ländern gibt es Kindergärten, die das Konzept der geschlechtsneutralen Erziehung bereits umgesetzt haben. Mädchen* sollen genauso für naturwissenschaftliche und technische Fragen begeistert werden wie Jungen* Raum haben sollen, um über ihre Gefühle zu reden. Die Erfahrungen damit sind durchaus positiv.

Geschlechtsneutrale Erziehung bedeutet nicht «Gleichmacherei», wie unsere Gegner*innen ständig schimpfen, sondern um gelebte Chancengerechtigkeit.

Warum soll das Baselbiet es nicht wagen, Chancengerechtigkeit endlich umzusetzen? Die Baselbieter Politik hat in der Vergangenheit wenig Mut gezeigt im Kampf für die Toleranz und Gleichstellung aller Geschlechter. Für die Freiheit, sich individuell zu entwickeln, braucht es eine gesellschaftliche – und damit verbunden eine politische – Veränderung. Damit alle auf Bäume klettern und mit Puppen spielen können. Wagen wir es jetzt – für ein offenes und buntes Baselbiet!