Auf dass im neuen Jahr…

Und schon wieder neigt sich das Jahr dem Ende zu. Ja, 2016 hatte nicht viel Schönes zu bieten. Zumindest wenn man sich die aktuelle Weltlage ansieht. Ein sexistischer, rassistischer Milliardär wurde zum Präsidenten Amerikas gewählt, Aleppo ist zerstört, rechtskonservative Parteien erleben weiterhin Aufwind und immer noch befinden sich weltweit Millionen Menschen auf der Flucht. Aus Verzweiflung und weil keine Hoffnung sichtbar ist. Sie nehmen unvorstellbare Strapazen auf sich und kommen, wenn sie “Glück” haben, an die Grenzen Europas. Dort erwarten sie aber wenig Perspektiven.

“Wir unterstützen die Menschen durch Entwicklungshilfe ja vor Ort”. Ja, diesen Satz können wir langsam nicht mehr hören. Erinnert er uns doch auch an die Zeiten des Kolonialismus. Es wirft die Behauptung auf, alle aussereuropäische Gesellschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika seien rückständig. Unser Interesse zum Beispiel am afrikanischen Kontinenten beruhte vor allem auf dem Interesse an einer Rohstoffquelle und einem Absatzmarkt für unsere Produkte. Die in den vergangenen Jahren ausgehandelten Handelsabkommen sind klarer Beweis dafür. Diese dienen keinenfalls den Menschen vor Ort. Im Gegenteil: Solche Handelsabkommen verdrängen durch Abschaffung von Importzöllen und -gebühren die kleinen Produzenten vom Markt und bringen globalen Konzernen mehr Profite.

“Wenn man gleichzeitig viel Steuergeld mit verschiedenen Entwicklungsprogrammen nach Afrika bringt, dann sollte man nicht mit den Wirtschaftsverhandlungen kaputt machen, was man auf der anderen Seite als Entwicklungsministerium versucht aufzubauen”, so Günter Nooke, Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin Angela Merkel und Parteimitglied der CDU. Eindeutig kein Linker, doch er bringts auf den Punkt bezüglich unserer Scheinheiligkeit.
Uns geht es mit unserer Politik vor allem um die Interessen der Konzerne und Reichen. Dass wir mit solchen Abkommen aber Millionen Menschen in finanzielle Nöte bringen, wird ignoriert. Diese Freihandelsverträge sind zugespitzt “Europas Massenvernichtungswaffen”, wie es Aminata Traoré, die Sprecherin des “Forum für ein anderes Mali” auf den Punkt bringt.

Die Flüchtenden sind einmal mehr Träger_innen der Botschaft, dass unsere Weltwirtschaftsordnung extrem ungerecht ist. So setzt die Flüchtlingsdebatte auch die Verteilungsfrage im globalen Massstab wieder auf die Agenda. “Wer für weniger Fluchtursachen ist, muss den ökonomischen Imperialismus sowie die soziale Ungleichheit bekämpfen”, so ist auch Katja Kipping, Parteivorsitzende der Partei Die Linke, überzeugt.

Ja, das Jahr war nicht unbedingt einfach. Wie oft machte sich doch auch bei mir in den letzten Monaten eine gewisse Hilflosigkeit und Ernüchterung breit. Was will ich überhaupt bewirken, wofür meine Energie einsetzen?
Doch wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, würde das doch unseren Gegner_innen nur noch helfen. Vielmehr müssen wir umso gestärkter ins 2017 gehen. Die pessimistisch stimmenden Feststellungen müssen wir umwandeln in einen Schaffens- und Gestaltungswillen. Kämpfen wir weiterhin unermüdlich für unsere Ideale und machen auf die internationalen Zusammenhänge aufmerksam – auf der Strasse, in der Schule, an der Uni, im Arbeitsbetrieb, in der Familie und im Freundeskreis. Auf dass im neuen Jahr der Weg für einen Wandel geebnet wird!

Der Griff nach einer Fata Morgana

Was wir von SPD, französischen Sozialist_innen, New Labour und Bill Clinton lernen können. Ein Text von Joël Bühler und Julia Baumgartner.

“Für alle statt für wenige” – Der Slogan der SP wird oftmals falsch verstanden; auch von Genoss_innen. Erneut kommt nun der Glaube auf, mit einer Verwässerung unserer Inhalte könnten wir mehrheitsfähig sein. Unter dem Deckmantel der “Wählbarkeit” scheuen sich einige Genoss_innen überhaupt nicht davor, Grundsätze der sozialdemokratischen Bewegung in Frage zu stellen und zu “hintergehen”. Jede Bewegung in die Mitte aber ist genau ein Verrat am Ausspruch “für alle”, denn Mittepolitik führt unweigerlich dazu, dass Menschen zurückgelassen werden.

Sozialdemokratische Mittepolitik

Mit einer orientierungslosen Politik werden wir als sozialdemokratische Bewegung nie erfolgreich. Dies zeigen uns auch die Verhältnisse in anderen Ländern. Während in Deutschland die Rot-Grüne Regierung unter Gerhard Schröder erreicht hat, dass die Forderung der Grünen nach einer Vermögenssteuer als Linksrutsch (!) der Partei angesehen wird und die SPD von 40 auf 25 Wähler_innenprozente abgestürzt ist, sieht die Bilanz der Mittepolitik von Hollande in Frankreich noch desaströser aus: Der französische Präsident kommt in Umfragen nur noch knapp über 10% der Stimmen hinaus, während Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National wohl in die Stichwahl ums Präsident_innenamt einziehen dürfte.

Noch schlimmer als das wahltaktische Versagen des “Dritten Wegs” sind die konkreten Auswirkungen dieser Politik auf die Menschen. Weiterhin über 10% Arbeitslosigkeit in Frankreich, hunderttausende “Aufstocker” in Deutschland, die von ihrem Lohn nicht leben können. Ist das die Vision des liberalen Flügels der Sozialdemokratie?

Die Illusion der politischen Mitte

Kleine Verbesserungen im Rahmen unseres Systems zu finden und dafür Mehrheiten zu schaffen: Das ist vielleicht Aufgabe unserer Parlamentarier_innen; es darf aber auf keinen Fall Stil unserer parteipolitischen Arbeit sein. Nein, unsere Positionen als sozialdemokratische Partei müssen darüber hinausgehen, müssen auch Antworten auf die grossen Fragen geben. Denn nur mit einer klaren politischen Linie sind wir für die Bevölkerung fassbar.

Wollen wir uns nun auch noch bei den Mächtigen mit der Übernahme ihres Programms anbiedern, fühlt sich unsere ursprüngliche Zielgruppe nicht ernst genommen und wendet sich als Folge davon ab. Die Mitteparteien und die bürgerliche Rechte in der Schweiz sind seit jeher tonangebend in der Politik und blockieren nicht grundlos praktisch jeden Fortschritt. Wer so stark Teil der wirtschaftlichen und militärischen Elite des Landes ist, sieht jede Veränderung als Bedrohung der eigenen Position.

Geben wir unseren Kampf gegen die Privilegierten in diesem System auf, nur um kompromissbereit zu wirken, werden wir unglaubwürdig. Starten wir mit dem Kompromiss in die Verhandlung, haben wir sie bereits verloren. Die politische Mitte ist eine Fata Morgana: Je näher wir ihr von links kommen, desto weiter weg von unseren Idealen ist sie.

Der amerikanische neoliberale Milton Friedman erkannte messerscharf, dass beim Auftritt einer (ökonomischen oder politischen) Krise die ergriffenen Massnahmen davon abhängen, welche Ideen einsatzbereit herumliegen. Seit bald 10 Jahren befindet sich die Welt nun in einer solchen Krise. Und Friedman scheint recht zu behalten: Während die Linke seit den 90er-Jahren mit Blair, Schröder und Clinton die eigenen Ideen zugunsten des neoliberalen Establishments über Bord geworfen hat, nutzt die Rechte die Gunst der Stunde. Statt über einen Umbau der 2008 gescheiterten Wirtschaftsordnung zu diskutieren, stehen nun Menschen auf der Flucht und Migrant_innen am politischen Pranger, während die Linke in der Diskussion abseits steht und zusehen darf, wie sich der Konsens der politischen Mitte irgendwo zwischen liberalkonservativen und rechtsextremen Parteien einpendelt.

Wirtschaftsdemokratie als Vision

Gefragt sind nun politische Ideen, Inhalte anstelle von vagen Beschreibungen auf einer nicht fassbaren politischen Landkarte. Als Partei haben wir die Aufgabe, radikale Visionen und Ideen zu entwickeln, um damit die Probleme unserer Gesellschaft zu lösen. Mit diesen Ideen bieten wir den Mitgliedern und Amtsträger_innen eine unverzichtbare Orientierung für ihr politisches Engagement. An diesem Anspruch muss jeder parteiinterne Vorschlag gemessen werden.

Heute wird am Parteitag der SP Schweiz über das Papier zur Wirtschaftsdemokratie diskutiert. Dabei handelt es sich keineswegs um elitäres Geschwätz, sondern es wird direkt bei der einfachen Bevölkerung angesetzt – bei mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz und sozialem und nachhaltigem Wirtschaften, bei welchem nicht der Profit sondern der Mensch im Zentrum steht. Will man als Sozialdemokrat_in gegen diesen Grundsatz argumentieren, reicht ein blosser Verweis auf die Breite der sozialdemokratischen Bewegung nicht. So wäre doch zu hoffen, dass zumindest die Forderung nach einer Wirtschaft im Interesse der ganzen Bevölkerung uns Genoss_innen eint!

Kapitaleinkommen höher besteuern

Heute wurde an der Delegiertenversammlung das neue Initiativprojekt der JUSO Schweiz gewählt. Stundenlang diskutierten die Delegierten über die 12 eingereichten Vorschläge, bevor letztendlich der definitive Entscheid fiel: Im kommenden März werden wir die Initiative “Kapital statt Arbeit besteuern” lancieren.
Mit unserem Initiativprojekt wollen wir eine breite Diskussion anregen. Eine Diskussion, in der unser System in Frage gestellt wird. Eine Diskussion, in der wir die Nachteile unseres kapitalistischen Systems aufzeigen und fassbare Lösungen bieten können. Eine Diskussion, in der wir mehr Verteilungsgerechtigkeit fordern. Eine Diskussion, die zu polarisieren aber letztendlich auch zu mobilisieren vermag.
Und ich denke, diese Diskussion können wir mit diesem Initiativprojekt starten, weil wir ein klares “Feindbild” haben: Denn wir greifen direkt diejenigen in unserer Gesellschaft an, die nichts für ihr Einkommen machen müssen, sondern nur “ihr Geld arbeiten lassen”. Dies tun sie durch Zinsen auf dem Bankkonto und Dividenden. Ja, es sind wenige Menschen (nur ein Prozent), die von einem solchen Kapitaleinkommen gross profitieren, doch die Dimension ist enorm: Rund die Hälfte des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums geht an die Superreichsten!
Wir müssen durch eine Unterscheidung zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen aufzeigen, dass vom Reichtum der Schweiz aktuell nur die reichsten 1% profitieren. Durch unsere Initiative soll in der Verfassung die Definition des “Kapitaleinkommens” festgelegt werden und vorgeschrieben werden, dass dieses auch höher besteuert werden soll als das Arbeitseinkommen. Durch diese Mehreinnahmen (höhere Besteuerung des Kapitaleinkommens) kann die arbeitende Bevölkerung finanziell entlastet werden (durch Senkung der Arbeitseinkommenssteuer). Diese Rückverteilung von oben nach unten entspricht klar unseren sozialistischen Grundsätzen!

Solidarität statt Fremdenhass

Geschätzte Genossinnen und Genossen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin müde. Und nein, nicht nur von letzter Nacht und vom frühen Aufstehen. Ich bin es müde, ständig in der Defensivrolle sein zu müssen. Denn das waren wir die letzten Jahrzehnte, von welchen ich noch nicht mal alle politisch miterlebt habe. Immer war es unsere Rolle, den fremdenfeindlichen Initiativen der Rechtskonservativen entgegen zu treten. Immer war es unsere Rolle, in ablehnender Haltung zu sein. Dass wir das getan haben, bemängle ich natürlich keinesfalls. Denn es braucht den Mut und die Energie, den Mund aufzumachen gegen die sich ausbreitende negative Stimmung gegenüber allem Fremden

Ja, es mag beängstigend sein, wie viele Menschen momentan auf der Flucht sind. Beängstigend, weil es keine sicheren Fluchtwege gibt, die Länder keine Lösungen bereit haben und Stimmung gemacht wird gegen die Schwächsten, die am wenigsten dafür können. Sie sind die Opfer des kapitalistischen Systems, in dem es um möglichst viel Geld und die Ausweitung von Macht einiger weniger geht.

Auch die Schweiz hat blutige Hände von diesem schmutzigen Spiel. Vor anderthalb Wochen hat der Bundesrat den Export von Waffen im Wert von hunderten Millionen Franken auf die arabische Halbinsel und in den Nahen Osten genehmigt. Ohne Rücksicht auf die Kriegsmaterialverordnung, die solche Exporte verbietet und ohne Rücksicht darauf, dass die dortigen Regimes die Menschenrechte wenig kümmern und im Jemen einen blutigen Krieg führen. Wir sollten also eigentlich nicht angsterfüllt sein, sondern beschämt. Beschämt darüber, dass wir diese Kriege auf der ganzen Welt unterstützen, dass wir verantwortlich sind für die Folgen, diese gleichzeitig aber nicht tragen wollen. Und wütend auf diejenigen, die von diesem ganzen Übel profitieren!

Die Parteien, die solchen schmutzigen Export zulassen, sind genau dieselben, die auch konsequent in unserem Land Leistungen abbauen. Die rechtskonservativen SVP, FDP und CVP bauen auf dem Rücken der Bevölkerung ab, während die SVP mit Nebelpetarden um sich wirft. Mit Angriffen auf Bundesrätinnen, die Presse und Vergleichen wie diejenigen von Christoph Blocher soll abgelenkt werden. Abgelenkt von einer Wirtschaftspolitik, die einigen wenigen Superreichen dient, während die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Wand gefahren wird. Dabei handelt es sich nicht um einen Zufall, sondern um System. Seit Jahren nehmen Blocher, Köppel etc. die Probleme von Globalisierung, Raubtierkapitalismus und instabilem System zum Anlass, die Bevölkerung gegen Minderheiten aufzuhetzen. Dass sich die Wirtschaftselite, die rechten Parteien und deren Verbände dabei durch die Hintertür bereichern, wird vertuscht. Hier braucht es die SP, die Gewerkschaften und die JUSO. Nur wir sind in der Lage, diese Mechanismen aufzuzeigen. Die Rechten haben kein Interesse daran!

Sind wir also laut und gewähren den Fremdenfeinden und Rechtskonservativen in unserem Land keinen Platz. Noch wichtiger aber ist, dass wir eine wahre Alternative darstellen und uns nicht ständig in die Defensive drängen lassen. Wagen wir doch endlich, auch einmal die Initiative zu ergreifen und nicht ständig nur die grössten Übel zugunsten kleinerer abzuwenden. Sind wir doch einmal mutig und stehen zu unseren eigentlichen Grundsätzen. Die JUSO Baselland hat einen kleinen Schritt gewagt und wird in knapp zwei Monaten ihre Demokratie-Initiativen einreichen. Wir fordern, dass alle ab 16 Jahren mitbestimmen können und dass Ausländerinnen und Ausländer mitbestimmen können. Damit zeigen wir zum zweiten Mal, nach der ebenfalls von der JUSO Baselland lancierten Transparenz-Initiative, wer in unserem Kanton und in unserem Land für Demokratie einsteht und wer nicht. Denn die politischen Kräfte, die sich gegen diese überfälligen Forderungen wehren, sind dieselben, die das Zensuswahlrecht verteidigt haben, die sich gegen die Einführung des Proporzsystems, gegen die Einführung des Frauenstimmrechts gewehrt haben und die sich immer noch gegen mehr Transparenz in der Parteien- und Kampagnenfinanzierung wehren. Sie lagen mit all dem immer falsch und sie liegen auch dieses mal falsch. Es ist nämlich ganz einfach: Wer ein Viertel der Bevölkerung vom Stimm- und Wahlrecht ausschliesst, ist ein Antidemokrat!

Getrauen wir uns also wieder, klar zu sagen, was Sache ist und aufzuzeigen, wer Kriegswaffenexporte befürwortet, wer den Reichen Milliardensteuergeschenke macht, wer für höhere Renten ist und für weniger Demokratie und wer für eine solidarische Politik steht, für gute Löhne und gute Renten und für mehr Demokratie. Für letzteres sind wir, die vereinigte Linke und für ersteres sind alle anderen.

Das hinauszutragen zu den Leuten ist die Aufgabe von uns allen in den nächsten Jahren. Lasst uns heute damit beginnen!

Profitmacherei: die widerlichste Form

800 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger und Armut. Gleichzeitig machen Spekulanten an der Börse riesige Gewinne durch die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Die dadurch entstehenden Preisschwankungen haben dann aber die ärmsten Menschen dieser Welt auszubaden: Familien, die einen grossen Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen, leiden, während sich die Spekulanten die Hände reiben.

Diese widerliche Form von Profitmacherei auf Kosten von hungernden Menschen gilt es unbedingt zu bekämpfen. Deshalb stimmen am 28. Februar 2016 neben Mitte-Links-Parteien auch zahlreiche Pfarrerinnen, Pfarrer und kirchliche Organisationen JA zur Spekulationsstopp-Initiative!

Sparschweinerei

Die Sparmassnahmen, die zu Beginn der Sommerferien bekannt gegeben wurden, kamen nicht unbedingt überraschend. Und trotzdem war es einmal mehr schockierend, wie die bürgerliche Regierung handeln will: Möglichst viel Leistungsabbau auf Kosten der Jugend. Die Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen sollen verschlechtert und das Freifachangebot an weiterführenden Schulen reduziert werden.
Ich setze mich konsequent für eine umfassende Bildung ein, in der Chancengleichheit mehr zählt als wirtschaftliche Aspekte. Wenn der Instrumentalunterricht am Gymnasium nur noch für Kinder aus zahlkräftigem Hause möglich ist und die anderen halt ein anderes Schwerpunktfach wählen sollen, so können wir nicht mehr von Gerechtigkeit reden. Denn ein Schwerpunktfach soll für alle offen sein; was bei der Wahl zählen soll, ist vor allem das Interesse und der Wille, sich mit dem Fach vertiefter auseinanderzusetzen und etwas dazuzulernen.

Was bei den Überlegungen auch nicht wirklich bedacht wurde, ist, dass gerade musikalisches Talent nicht unbedingt mit dem elterlichen Kontostand zusammenhängt. Mit der Einführung, dass die Eltern die Instrumentalunterrichtskosten übernehmen müssen, sinkt die Attraktivität des Schulfachs Musik weiter. Das Niveau wird ausserdem sinken, da Schülerinnen und Schüler vor allem nach wirtschaftlichen Kriterien aufgenommen werden. Der Kanton Baselland gibt es also eindeutig auf, musikalischen Talenten auch in der Schule Förderung anzubieten. Durch solche Maßnahmen wird unsere kantonale Kulturförderung in Frage gestellt. Selber Kultur zu schaffen wird immer schwieriger

Am 27. August war ich mit vielen Schülerinnen und Schülern auf der Strasse. Wir demonstrierten gegen die Sparmassnahmen im Bildungswesen. 500 junge Menschen machten klar, dass sie nicht einverstanden sind mit Monica Gschwinds Bildungspolitik. Sie haben gezeigt, dass ihnen ein gutes Bildungsangebot wirklich am Herzen liegt und dass sie bereit sind, dafür zu kämpfen.

Neulich wurde ich gefragt, wieso die JUSO Baselland sich momentan so stark konzentriert auf die Sparmassnahmen bei der Bildung. Damit würden wir nie erfolgreich. Es geht hier nicht nur darum, ob unsere Partei durch ein Thema erfolgreich wird oder nicht; vielmehr geht es darum, dass wir uns einsetzen für unsere Zukunft und die der kommenden Generationen und dass wir ändern, was uns stört!

Unzufriedenheit unter den Lernenden

In einem Interview hat Monica Gschwind ihre Haltung zu den Sparmassnahmen dargelegt. Sicher sind nicht alle auf ihrem Mist gewachsen, trotzdem hat sie zu der Baselbieter Bildungspolitik schon fragwürdige Dinge gesagt, so in „20 Minuten“ zur steigenden Lehrabbruchquote: die Lernenden seien zu wenig leistungsbereit. Ist das ihr Ernst? Viele Lernende leisten unbezahlt Überstunden, verrichten berufsfremde Arbeiten und werden von ihren Lehrmeistern als billige Arbeitskraft angesehen. Daneben müssen sie volle Leistung in der Berufsschule erbringen und dafür auch noch die Freizeit zur Prüfungsvorbereitung verwenden. Ist es nicht verständlich, dass die Lernenden diesem physischen und psychischen Druck irgendwann nicht mehr gewachsen sind? Das Berufsbildungsamt des Kantons Baselland lässt verlauten, dass sich nur selten Lernende bei ihnen beschweren. Wenn wir im Rahmen unserer „Fight for your rights“-Kampagne an den Berufsschulen unterwegs sind, so bekommen wir sehr wohl zu hören, dass Unzufriedenheit unter den Lernenden herrscht. Spannend ist, dass das Berufsbildungsamt den Grund, weshalb sich so wenige bei ihnen melden, sogar kennt: Viele Lernende befürchten, es stecke mit den Lehrmeistern unter einer Decke. Ein Amt, das Anlaufstelle sein sollte für Beschwerden Lernender, aber nicht vertrauenswürdig wirkt, ist problematisch. Frau Gschwind schaffe bitte zuerst Transparenz darüber, wie die Verhältnisse in den Berufslehren wirklich sind und bilde sich dann ein Urteil aufgrund der Fakten. Von ihr als Bildungsdirektorin erwarten wir, dass sie die Probleme und Anliegen beider Seiten aufnimmt und daraus gehaltvolle Schlüsse ziehen kann und nicht nur aus unternehmerischer Sicht auf Lernende eindrischt.

Wohnen für alle Generationen

Dass die Mietpreise für Wohnungen immer weiter in die Höhe schiessen ist ein allgegenwärtiges Problem im Kanton Baselland.

In meiner Wohngemeinde Füllinsdorf sind wir momentan verschont davon und haben deutlich mehr günstigen Wohnraum als beispielsweise unsere Nachbarsgemeinde Frenkendorf. Durch die Beruhigung des Verkehrs an der Rheinstrasse werden neue Liegenschaften in Zukunft aber viel teurer; und auch die Mietpreise der bereits bestehenden Wohnungen werden bei einer allfälligen Sanierung in die Höhe schiessen.

Als sozialdemokratische Partei sind wir dazu verpflichtet, den steigenden Mietpreisen den Kampf anzusagen. Denn Wohnen muss bezahlbar sein – für alle Generationen. Viele junge Menschen in meinem Alter ziehen, sobald die Freiheit und die Selbstständigkeit rufen, weg aus unserem Kanton. Denn neue Wohnungen sind entweder Eigentumswohnungen oder belasten mit ihren Mietpreisen zu stark den Geldbeutel der jungen Noch-nicht- oder Nur-gelegentlich-Verdienenden. Da entscheiden sie sich lieber für ein einigermassen bezahlbares WG-Zimmer im Kanton Basel-Stadt. Gegen diese Abwanderung müssen wir vorgehen; denn auch im Baselbiet sind wir auf das Zusammenleben und den Austausch verschiedener Generationen angewiesen.

Deshalb muss der preisgünstige Wohnungsbau vermehrt gefördert werden. Die effizienteste Lösung dafür bieten genossenschaftliche Bauten. Studien zeigen, dass die Mieten in gemeinnützigen Wohnungen über die Jahre hinweg rund 15-20 Prozent günstiger sind als der Marktdurchschnitt. Natürlich können auch Genossenschaften Neubauten nicht billig bauen. Sie haben die gleichen Handwerkerpreise und bauen bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit zukunftsweisend. Ihre Wohnungen werden jedoch mittelfristig günstiger und bleiben es dann auch nachhaltig. Dies weil gemeinnützige Bauträger Wohnungen nicht wegen eines Kapitalanlage-Bedarfs bauen, sondern vielmehr aufgrund des Wohnraum-Bedarfs. Ausserdem bieten Genossenschaften weitaus mehr als nur “Wohnen”. Sie wirken integrativ und stehen für Selbsthilfe und privates kollektives Eigentum.

Eine Beratungsstelle “Wohnen” soll ausserdem Familien, ältere Menschen und Menschen mit einer Behinderung bei der Wohnungssuche unterstützen. Beim Sammeln der Unterschriften hat sich gezeigt, dass das Thema “Bezahlbarer Wohnraum” nicht nur bei Menschen aus meiner Generation ein Problem ist. Egal wo, viele ältere Menschen zeigten klar, dass es sich für sie beispielsweise nicht mehr lohnt, aus ihrer eigentlich viel zu grossen Wohnung auszuziehen, da neue bezahlbare Wohnungen schwer zu finden sind.

Ein neuer Erfolg auf nationaler Ebene in Sachen “Bezahlbarer Wohnraum” wurde gestern bekannt: die Einführung der Formularpflicht. Diese soll Transparenz über die Vormiete ermöglichen und somit die steigenden Mietpreise bremsen. Natürlich ist es erfreulich, dass der Bundesrat gegen die steigenden Mietpreise vorgehen möchte; es ist aber auch klar, dass es nicht bei dieser einen Massnahme bleiben darf: Um die Wohnsituation in der Schweiz langfristig zu ändern, bedarf es mehr. Genau deswegen ist unsere heute eingereichte kantonale Initiative “Wohnen für alle” ein wichtiges Zeichen.

Kulturstandort Baselland

Wenn schon immer von der Wirtschaftsoffensive die Rede ist, dann muss man sich einmal fragen, wie wir unseren Kanton zu einem ansprechenden Wirtschaftsstandort machen wollen. Reichen da einfach gute Bedingungen für Firmen und tiefe Unternehmenssteuern?

Nein, denn ein guter Wirtschaftsstandort erfordert vor allem auch ein attraktives kulturelles und infrastrukturelles Angebot. Kultur lebt vom Wandel und vom Mut, neue Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Solange in unserem Kanton aber weiterhin auf Kosten der Kultur gespart wird, dürfen wir nicht erwarten, dass das Baselbiet attraktiv wirkt.

Eine breit gefächerte Auswahl an kulturellen Angeboten für alle Generationen lässt unseren Kanton wieder aufleben. Dafür stehe ich ein!

Pick it up or pay it out

Im März kommt neben der nationalen auch die kantonale Initiative der CVP zur Abstimmung. Damit wollen sie gegen Littering vorgehen. Aber ich muss zugeben, dass ich, als ich den Namen der Initiative zum ersten Mal hörte, ziemlich lachen musste. „Vo Schönebuech bis suuber“. Da war jemand besonders originell. Man nehme das Baselbieterlied, welches man dank der Fusionsdebatte nicht mehr hören kann, und versuche, irgendwo noch das politische Ziel einzubauen. Dies ist ihnen gelungen. Mehr schlecht als recht.

Die Initiative möchte, dass Gemeindeangestellte und Security-Angestellte die Befugnis haben, Bussen auszuteilen.
Mit Hilfe von Strafzetteln will die CVP also dafür sorgen, dass ein Umdenken in den Köpfen der Baselbieterinnen und Baselbieter stattfindet. Ein Problem existierte bei Einführung dieser Regelung aber: Die Gemeinde- und Sicherheitsangestellten dürfen die Daten der „Übeltäter“ nicht aufnehmen, müssen also auf die Zahlfreudigkeit der Leute hoffen.

Ja, wir müssen etwas gegen Littering tun, das ist ganz klar. Aber bringt Bestrafung als Erziehungsmassnahme etwas? Wollen wir wirklich nach dem Slogan „Pick it up or pay it out“ agieren? Sollen wir nicht lieber aufklärende Kampagnen durchführen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren? In modernen Erziehungsschriften ist man sich einig, dass die Methode „Strafe zur Verhaltensänderung“ nicht wirklich zu positiver Veränderung beiträgt, denn Bestrafung beseitigt nicht ein unerwünschtes Verhalten, sondern unterdrückt es nur und verzögert es ein wenig; früher oder später wird das Verhalten aber wieder auftauchen.

Ich bin dafür, dass wir einen anderen Weg im Kampf gegen Littering einschlagen. Einen anderen als diese Initiative. Denn es braucht nicht zwingend solch restriktive Massnahmen. Erfahrungsberichten anderer Kantone zufolge bewirken Kampagnen viel mehr als strenge Kontrolle. Warum also unseren Gemeinde- und Sicherheitsleuten unangenehme Situationen aufbürden? Viel eher sollen wir eine kreative Kampagne starten, welche alle wachrüttelt und zum umweltbewussten Handeln motiviert.